Sagen vom Schragerl

es geschah vor einiger Zeit...

In der Pfarrkirche zu Waidhaus wollten sie einmal das Spiel vom Leiden und Sterben unseres Herrn aufführen. Die Kirche war gedrückt voll Menschen. Auf einmal hieß es: "Feuer! Feuer!" Durch das Kirchenfenster sah man ein buckliges, kleines Männlein mit feuerrotem Kittel um die Kirche laufen und in dem Gedränge wurden mehrere erdrückt und etliche verwundet. Unter den verunglückten war auch das rote Männlein. Als ihm der Bader zur Ader lassen wollte, hatte es eine gruselgelbe Haut. Und wie er den Schröpfer ansetzte, sprang das Männlein mit einem Satz in die Höhe, teilt nach links und rechts Maulschellen aus, dass es nur so patschte und war verschwunden.

Im Keller eines Waidhauser Gastwirtes sind heute noch Schragerllöcher zu sehen. Hier konnten vor alten Zeiten die Zwerge bis zum "Alten Schloß" auf dem Sulzberg durchgehen. Zu den Urgroßeltern des heutigen Besitzers kamen die Schragerl oft, spülten nach dem Essen das Geschirr und halfen bei sonstigen, nächtlichen Arbeiten tüchtig mit. Vorgesetzte Speisen ließen sie sich gut schmecken. Als man ihnen aber Kleidungsstücke schenken wollte, liefen sie weinend davon und kamen nie wieder.
 

Koller, ein Besitzer von Ströbl, nutzte die Hilfe der Schragerl und erwarb sich durch fachmännische Pflege der Glasindustrie einen ungeheueren Reichtum. Der Volksmund erzählt, dass er von Ströbl bis zur bayerischen Grenze eine Straße bauen und diese mit blanken Talern pflastern wollte. Noch heutigen Tages sollen in Ströbl Unsummen von Geld und anderen Schätzen verborgen liegen. Das Volk, das sich den Erwerb solcher Reichtümer nicht erklären konnte, behauptete, dass Koller mit dem Bösen in Verbindung gestanden sei, was sich nach dessen Tod auch bestätigt habe. Als nämlich bei seinem Leichenbegräbnisse vor dem Schloß in Ströbl eben das Leichenlied gesungen wurde, blickte Koller in Gestalt einer schwarzen Krähe aus dem Fenster seines Schlafzimmers herab. Er konnte nach dem Tod keine Ruhe finden und irrte lange Zeit in verschiedenen Gestalten im Ströbler Schlosse umher, bis ein Geistlicher kam und ihn verbannte. In einem Ränzlein trug ihn derselbe in die Säuloh, um ihn daselbst zu verstecken. Auf dem Weg dorthin wollte der Priester den besten Wagen eines Bauern, der um Streu fuhr, besteigen und eine Strecke mitfahren. Doch das Gefährt konnte keinen Schritt weiter gebracht werden. Er musste endlich wieder absteigen und den Weg zu Fuß zurücklegen.
 
In selbst gebauten, unterirdischen Gängen wanderten früher die Zwerge vom Sulzberg in die benachbarten Orte. Auch hier halfen sie den Bauernsleuten bei allen Arbeiten fleißig mit. Da jedoch im Keller eines geizigen Gastwirtes öfter etwas fehlte, versteckte sich der Wirt eines Nachts hinter einem Fasse. Gegen Morgen sah er aus einer Öffnung eine Anzahl Schragerln kriechen. Sie fielen sogleich heißhungrig über die Lebensmittel her und nahmen auch noch davon mit. Zornig rief ihnen der Wirt ein kräftiges "Halt!" zu. Da drängten sich die Kleinen unter Jammern und Klagen durch das Loch hinaus. In einer der folgenden Nächte streute er Mehl auf das Kellerpflaster. Am Morgen entdeckte man Spuren wie von vielen Kinderfüßchen, denen eine Zehe fehlte. Als nun der Wirt die kleinen Gäste wiederum verscheuchte, blieben sie für immer aus.

Ein Bauer aus Hagendorf ging vor langer Zeit einmal von Waidhaus nach Hause. Da schlich plötzlich aus dem Gebüsch ein kleines Männlein herzu, fasste ihn bei der Hand und führte den Widerstrebenden in den Wald hinein. Unter einem großen Felsen zeigte er ihm einen Weidling (Milchtopf) voll glänzender Goldstücke. Schon wollte sich der Bauer danach bücken. Da schien es ihm plötzlich, als stürze der Felsblock auf ihn nieder. Entsetzt sprang der Mann davon, ohne von dem Golde zu nehmen. Da erhob das enttäuschte Schragerl ein herzzerreißendes Weinen und Schreien. Als der Bauer sich umwandte, war das Schragerl mit seinem Golde verschwunden.
 
Das alte Fischerdörflein Pfrentsch hat wie auch einige andere oberpfälzische Ortschaften sein Wetterhorn, einen Nautilus (Kahnmuschel), so groß wie ein Kindskopf. Als einst der Weiher noch bestand, waren die Gewitter dort ganz besonders heftig und da hat man das Horn, das in Wirklichkeit eine große Muschel war, von einem kleinen Männlein auf dem Ulrichsberg, erworben. In ein weißes Tuch eingeschlagen, wurde es bald da, bald dort bei dem Eingeweihten wie ein Heiligtum aufbewahrt. Wenn ein Gewitter am Anzug war, wurde das Wetterhorn geblasen und zwar am besten auf dem Platze, wo das Johannisfeuer abgebrannt war. Das Gewitter zog dann entweder nach recht oder nach links vorbei, oder es verteilte sich, kurzum ging es ohne Schaden vorüber. Die Muschel war aber nicht so leicht zu blasen. Eine große Geschicklichkeit und kräftige Lunge gehörten dazu; denn ihr Ton machte die Erde erzittern. Kein Neugieriger bekam sie zu sehen und es war ein streng gehütetes Geheimnis, wer das Wunderding gerade beherbergte.

Ein Bauer aus Reichenau fuhr einmal um Holz auf den Schimmelberg. Es wurde schon finster, als er den Heimweg antrat, und plötzlich stand er ohne Weg mitten im finsteren Wald. Er hatte schon oft von der Hilfsbereitschaft der Schragerl gehört und von seinem Vater ein Sprüchlein gelernt, mit dem man sie herbeirufen könnte.
Er rief:
"Schragerl, bist bald rout, bald blau
bist bald duat, bald dou
ge hea und leucht ma!"
 
Da erschien ein kleines Männlein im grauen Gewand mit einer Laterne, um ihm den Weg zu zeigen. Es führte ihn getreulich bis an sein Haus. Der Bauer ging hinein ohne dem hilfsbereiten Männlein zu danken. Da lief dieses mit der Laterne fortwährend um das Haus herum . Endlich reichte ihm der Bauer ein Stück Brot hinaus und das Männlein verschwand.
 
Unterhalb des Sulzberges weideten einst drei Hütbuben ihr Vieh. Um die Mittagsstunde suchten sie eine verlaufene Kuh. Da sahen sie einen uralten Wagen stehen. Eine Kiste voll Geld war aufgeladen. Oben darauf aber lag ein funkelnder Kronentaler. Den nahmen sie mit und begaben sich auf den Heimweg. Einer von ihnen hatte auf der Kiste sein Hütbrot liegen gelassen und kehrte um. Aber alles war verschwunden.
 
Ein Amtsdiener war des Weges von Waidhaus nach Vohenstrauß und hatte sich in die Nacht hinein verspätet. Er verirrte sich und kam an ein großes Gebäude. Die erleuchteten Fenster zeigten, dass die Leute noch auf waren. So zog er am Glockenstrange. Ein grünes Männlein öffnete ihm und führte ihn in einen Saal, wo ihrer Zwölfe bei Kartenspiel und Bier saßen. Auf die Frage, woher er komme, antwortete er kurz und geistesgegenwärtig: "Ich bin geschickt!" Nun boten sie ihm Essen und Trinken. Aber er nahm nichts an, sondern setzte sich an den Ofen auf die Bank, um sich zu wärmen. Es schlug Mitternacht. Da löschte das grüne Männlein die schwarze Kerze und verschwand mit den anderen Zwölf. Der Bote aber saß an einer Mauer und erkannte am Morgen die Ruine Flossenbürg.

Die ehemalige Burg auf dem Sulzberg haben 12 Riesen gebaut. Beim Bau trugen ihre Weiber die Steine in den Schürzen auf den Berg. Als die Burg vollendet war, feierten sie in der Hütte, die sie während des Baus bewohnt hatten, das letzte Fest. Einer der Riesen aber reichte den anderen im Weine einen Schlaftrunk und zündete dann die Hütte an, so dass die darin schlafenden Riesen mit ihren Weibern verbrannten. So wurden er und sein Weib alleinige Besitzer des Schloßes. Dieser Riesenstamm hat sich lange erhalten. Die späteren Riesen trieben das Räuberhandwerk und plünderten die Kaufleute aus, die auf der Heerstraße von Nürnberg nach Böhmen zogen; denn die Straße ging unweit der Burg. Der letzte Riese aber hatte die Tochter eines Fürsten geraubt und den Kriegsleuten die Lebensmittel weggenommen. Darüber ergrimmt stürmten diese die Burg, wobei das Riesengeschlecht seinen Untergang fand.
 
Geht man von Reichenau über das Berghaus nach Hagendorf, so führt im Walde ein unscheinbarer Steg über ein schmales Bächlein. Es ist der Teufelssteg. Auf der einen Seite liegt der Teufelsstein, ein Felsblock, auf welchem sich mit einiger Phantasie die Abdrücke eines Pferde- und eines Menschenfußes erkennen lassen. In uralten Tagen hatte einmal der Teufel den Wunsch, auf der Erde ein Stückchen Land zu besitzen. Er ging zum lieben Herrgott und stellte seine Bitte. Dieser strich den Bart, schaute auf die Weltkugel und sagte: "Das Land bei Waidhaus, gegen Böhmen gelegen, kannst du haben." Nun ist aber dieses Land ziemlich steinig und rau. Der Teufel wusste das wohl, zog die Nase in die Höhe, und sagte: "b´falt´s!" (behalt es). Seit dieser Zeit führt die Gegend den Namen Pfalz.
 
Der Petrus ging durch das Land. Er nahm seinen Weg durch unsere Gegend und betrachtete sie genauer. Schließlich sagte er: "Das Land könnte wohl gut einige Bewohner ernähren. Ich werde einige Siedlungen anlegen." Dann nahm er einen Sack voll Häuser und trug sie hinab. Er erwischte aber einen schadhaften Sack. Auf dem Wege nun geschah es, dass der Sack durchriss und ein Haus nach dem anderen zur Erde fiel. Daher kommt es, dass die Häuser auf der Brünst und in Reinhardsrieth so weit auseinander liegen.
 
Als der Teufel nun sah, dass die Gegend bevölkert werden sollte, ärgerte er sich, sie nicht genommen zu haben. Er tat einen grässlichen Fluch. Dann rannte er voll Zorn der Hölle zu. Dabei musste er das oben genannte Bächlein überspringen. Er machte einen gewaltigen Satz und schnellte mit solcher Gewalt auf einen Stein am jenseitigen Ufer, dass sein Bock- und Menschenfuß darin abgedruckt wurden. Seit dieser Zeit heißt der Felsblock Teufelsstein und der später geschlagene Steg heißt Teufelssteg.